London Marathon 2019

28.4.2019

Factbox (Stand April 2019)

Homepage https://www.virginmoneylondonmarathon.com/en-gb/
Erste Austragung 1981
Teilnehmer 40.000
Termin Ende April
Qualifikation Zeitlimit (nur UK), Charity, Lotterie, Reiseveranstalter
Anmeldezeitraum unmittelbar nach dem Lauf bis Anfang Mai
Chancen bei Lotterie minimal
Kontingent Reiseveranstalter sehr klein, rechtzeitige Voranmeldung notwendig (1-2 Jahre)
Kurs sehr flach, point-to-point, Gegenverkehr
Zeitnehmung Chip zur Befestigung am Schuh
Marathon Expo geöffnet Donnerstag-Samstag, relativ groß aber hauptsächlich kleine Stände, von den Sportartikelherstellern ist nur der Hauptsponsor (New Balance) groß vertreten
Start 3 Startbereiche (Blau, Rot, Grün), Startzeit 10:10 Welle 1, 4 Wellen, Startbereich öffnet 8:00, viel Platz, wenig Schutz vor Witterung
Ziel The Mall, direkt vor dem Buckingham Palace,  genug Platz aber doch kompakt
Zeitlimit 7h (ab Welle 1 !)
Verpflegung  Wasserflaschen, Iso, Gels, Bananen
Verpflegungsstationen ab Meile 3, ca. alle 2 Meilen
Toiletten im Startbereich genügend, inklusive Urinale für Männer und Frauen (!), an der Strecke wenige

#ThanksaBillion

Am 22. April 2015 habe ich meinen ersten der sechs World Marathon Majors gebucht, den New York City Marathon. Nur - zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht einmal, dass es so was wie “Majors” überhaupt gibt, geschweige denn, dass man für die Bewältigung derselben eine eigene Medaille erhält.

 

Jetzt, fast auf den Tag genau vier Jahre später, ist mir natürlich bewusst, welches Ziel ich da am Sonntag hoffentlich erreichen werde. Dass London den Abschluss bildet, ist Zufall, das hat sich so ergeben. Es lag aber auch daran, dass es nicht einfach ist, hier einen Startplatz zu ergattern. Und ich gestehe, ich habe den London Marathon unterschätzt, er war nie ganz oben auf meiner Liste. Zu Unrecht, London hat mich überrascht.

Aber natürlich hatten mir Lauffreunde zuvor schon in höchstem Lob davon berichtet. Unvergesslich sollte er sein, die Atmosphäre und die Zuschauerkulisse einmalig, die Kostümierungen ausgefallen, die Stimmung perfekt. Ich bin also schon sehr neugierig, als ich gemeinsam mit meiner Frau, die auch diesmal wieder mit mir läuft, am Freitag meine Reise nach London antrete.

 

Die Reise unternehmen wir wieder, in bewährter Weise, mit runners unlimited. Wir haben mehrmals über die Lotterie versucht, eine Startnummer zu erhalten, chancenlos. 414.168 Menschen haben sich zur Verlosung der Startnummern für 2019 angemeldet - 40.000 Startplätze gibt es. Wie viele davon tatsächlich in den Topf der Lotterie kommen, wird vom Veranstalter nicht verraten, aber es sind sicher weit weniger als die Hälfte. Und davon wiederum nur ein Bruchteil für Overseas, also den Rest der Welt. Daher bleibt den meisten Läufern der Weg über ein Reisebüro nicht erspart. Nur, auch diese werden nicht üppig mit Startplätzen bestückt. Ich selbst habe mich zwei Jahre vor dem Lauf auf die Warteliste setzen lassen. Ein Lauffreund aus Dänemark hat mir 2017 in Boston erzählt, bei seinen Reiseveranstaltern hätte damals die Warteliste schon bis 2024 gereicht!

Der Fokus beim London Marathon ist ganz klar die Charity. Der London Marathon ist Charity King und will das auch bleiben. Daher kommen die meisten Briten über eine derartige Spendenaktion zu einem Startplatz – und das ist nicht wenig Geld, das sie da auftreiben müssen. Sehr oft sind es auch ganze Teams, die da für einen guten Zweck laufen.

Auf diese Art ist im Laufe der Geschichte des London Marathons eine riesige Summe Geld für alle möglichen wohltätigen Zwecke gesammelt worden. Bei seiner heurigen 39. Ausgabe werden die Gesamtspenden den unvorstellbaren Betrag von 1 Milliarde Pfund überschreiten – #ThanksaBillion lautet daher heuer das Motto der Veranstaltung.

 

Dieser Charity Schwerpunkt trägt auch entscheidend zur grandiosen Atmosphäre an der Strecke bei. Schließlich wollen die Menschen, die da einer Läuferin oder einem Läufer Geld für einen wohltätigen Zweck überwiesen haben, diese dann auch laufen sehen und anfeuern. Und diese wiederum wollen natürlich auffallen und für ihren guten Zweck werben und stecken sich deshalb in verrückteste Verkleidungen oder Aufmachungen.



Ankommen

Gleich nach Ankunft in London machen wir uns auf den Weg zur Marathon Messe. Diese ist, wie auch in Folge die ganze Veranstaltung, perfekt organisiert. Wie aber üblich bei den Majors ist von den ganz großen Laufmarken nur der Hauptsponsor, in diesem Fall New Balance, vertreten. Aber es gibt genug andere Stände um sein Geld los zu werden.

 

Für mich viel wichtiger ist der Stand von Abbott, der Organisation, die hinter den World Marathon Majors steht. Schon im Vorfeld muss man sich bei ihnen mit den schon absolvierten Rennen registrieren. Vor dem letzten der sechs Läufe meldet man sich rechtzeitig und erhält auf der Messe einen Aufkleber für die Startnummer. Nur mit diesem Aufkleber bekommt man im Ziel seine lang ersehnte Six Star Medaille.

 

 

Die Veranstalter des London Marathons versuchen sich in neuen Ideen in Richtung zu mehr Nachhaltigkeit und Müllvermeidung. Man muss ja ganz ehrlich sein, allein die Getränkebecher von 40.000 Läufern erzeugen einen beachtlichen Müllberg.

Neben den Bechern, die es nur an wenigen der Labstellen gibt, kommt beim London Marathon hauptsächlich Wasser in Kunststoffflaschen zum Einsatz. Ob das was bringt, werden wir dann beim Rennen sehen, beim Athen Marathon war ich davon nicht überzeugt.

Im Vorfeld gab es die Möglichkeit, sich für einen Feldversuch mit Getränkegurten zu melden. Diese werden vom Veranstalter zur Verfügung gestellt und dann auch wieder eingesammelt. Sie sollen ermöglichen, dass man die Getränkeflaschen nicht gleich wieder wegwirft, sondern erst, wenn sie ausgetrunken sind, gegen neue eintauscht.

Auch bei der Versorgung mit ISO Getränken wird Neues  versucht. Lucozade experimentiert mit sogenannten Oohos – das sind kleine Päckchen in Bissengröße, aus Seetang gefertigt, die mit 30ml Lucozade Sport gefüllt sind. Die kann man in den Mund stecken, aufbeißen und hinunterschlucken. Das Seetangsackerl schluckt man ebenfalls oder spuckt es aus. Wir haben es ausprobiert, die Dinger sind genießbar und schmecken auf jeden Fall nicht nach Seegras. Außerdem sind sie, nach Angaben der Hersteller, biologisch abbaubar, vegan und allergenfrei! Ob sie als alleiniger Ersatz für Flaschen oder Becher in Frage kommen, wage ich zu bezweifeln. Das Handling der filigranen Packerl ist schon sehr heikel.



Race Day

2018 war der heißeste London Marathon der Geschichte. Dieses Schicksal werden wir heuer nicht teilen. Die Wetterprognosen pendeln sich so bei 10-13 Grad ein und von Regen dürften wir auch verschont bleiben. An und für sich perfektes Laufwetter, und wenn man sich entsprechend vorbereitet und alte Kleidung mitbringt, dann ist auch die Warterei im Startgelände erträglich.

Und das Startgelände bekommen wir schon sehr früh zu sehen. Bereits um 7:00 bringt uns der Bus vom Hotel an den Start. Was bedeutet, dass wir um 08:00 bei den ersten sind, die im blauen Startbereich einmarschieren. Von den Startbereichen gibt es drei – rot, blau und grün. Jeder davon mit einem eigenen Start. Nach einer Meile treffen blau und grün zusammen, bei Meile 3 gesellt sich auch rot dazu. Das hilft, das Feld zu entzerren und die Staus am Anfang zur vermeiden. Wir treten, wie der Rest der internationalen Truppe und auch die Elite Läufer, am blauen Start an.

 

Seit vorigem Jahr praktiziert London auch die Startwellen, und es praktiziert dies very British, bestens organisiert und konsequent. Für jeden Startbereich gibt es 8 Startzonen, wobei jeweils zwei davon in einer Startwelle losgelassen werden. Es gibt daher vier Wellen, die erste startet mit den Elite Herren um 10:10, die letzte laut Plan um 10:50. In der Realität dauert es dann doch etwas länger, bis alle auf die Reise geschickt werden.

Das Startgelände im Greenwich Park ist riesig, mit einigen wenigen Zelten, Wasser, Iso und natürlich mit dem Ausschank von Tee –what else? Obwohl sich die Sonne zeigt, haben wir doch noch unter 10 Grad am Morgen und das wird sich bis zum Start auch nicht sehr viel ändern. Zudem weht ein leichter, aber doch merkbarer Wind. Viele versuchen daher Schutz hinter Zelten oder Planen zu finden. Da ist unsere frühe Ankunft von Vorteil, wir können uns noch die Plätze aussuchen. Altes Gewand zum Entsorgen kurz vorm Start ist auf jeden Fall zu empfehlen, ansonsten ist der Chill Faktor schon unangenehm.

Was es auf jeden Fall ausreichend gibt sind Toiletten – dieses lästige Problem hat London bestens gelöst. Neben den Dixies gibt es auch Urinale zum schnellen entleeren – für Männer UND für Frauen! Auch hier ist London sehr innovativ. Wie genau das funktioniert kann ich jetzt nicht sagen – aber anscheinend werden entsprechende Hilfsmittel beim Eingang zu den Anlagen an die Damen verteilt….

Eine halbe Stunde vor unserer Startzeit öffnen die jeweiligen zugeteilten Startzonen. Da ich mit meiner Frau laufen will, ordne ich mich mit ihr in der Zone 6 ein, also im letzten Drittel des Feldes. In der Startzone wartet man noch einige Zeit, biss man dann tatsächlich, von Ordnern geführt, langsam zum Start geleitet wird. Das ganze dauert länger als geplant. Viele entledigen sich schon in der Startzone ihres Übergewandes und frieren jetzt merklich vor sich hin. Manche sind so verzweifelt, dass sie Gewand von Läufern aus den Startblöcken vor ihnen wieder einsammeln und nochmals anziehen. Mein Tipp daher – Geduld! Erst kurz vorm Start ausziehen!

Ja, und dann geht es los. Um 10:47 drücke ich meine Uhr. Zu der Zeit ist die Elite schon mehr als 10km gelaufen.

Und hier beginnt sie auch gleich, die Überraschung und das Besondere am London Marathon! Natürlich ist bei allen Majors die Zahl der Zuschauer beeindruckend und dieAtmosphäre unglaublich. Aber nur in London ist es tatsächlich so, dass quasi vom ersten Meter nach dem Start bis ins Ziel durchgehend Menschen stehen. Selbst in den Vororten, wo es normalerweise etwas dünner mit den Zuschauern bestückt ist, stehen die Menschen und feuern ihre Läufern und Teams an. Das hatten wir in dieser Dichte noch bei keinem der Majors.



Der Lauf

Die ersten Kilometer in Greenwich bieten auch gleich ein besonderes britisches Bonbon zur Erheiterung an. In den Straßen, durch die wir da laufen, wird der Verkehr durch Bodenwellen gebremst, den Humps. Was es nicht einmal in Amerika gibt, wo sogar beim Verzehr von Kaffee vor  dessen Hitze gewarnt wird – das gibt es hier: Links und rechts dieser Humps stehen Ordner mit Schildern, um die Läufer vor diesen Bodenwellen zu warnen – BEWARE HUMPS!  Die Zeichnung erinnert an den kleinen Prinzen: ist das jetzt eine Bodenwelle oder eine Schlange die eine Schildkröte gefressen hat?

 

Ganz so blöd ist das ja nicht, im dichten Feld kann es schon passieren, dass man so eine Welle übersieht und der London Marathon ist schneller vorbei als geplant. Ich erinnere mich da an die zwei Zentimeter Stolperfalle, die es mal in der Begegnungszone der Wiener Mariahilferstraße gab, auch da sind beim Wien Marathon einige Läufer gestrauchelt.

Besonders unterhaltsam wird diese ganze Verkehrssicherheitsveranstaltung noch durch die Freiwilligen, die eben diese Tafeln halten. Sie begnügen sich nicht mit einfach nur dastehen und Schild halten - sie rufen auch noch in regelmäßigen Abständen laut „HUMP!“, oft in wechselnden Tonlagen, auch abwechselnd im Kanon zwischen dem linken und dem rechten Schilderhalter. Dieses Konzert der britischen Kuckucksuhren geht einige Kilometer, dann ist es leider vorbei.

bild: runners unlimited
bild: runners unlimited

Meine Frau ist begeistert, es geht immer nur bergab, meint sie! Das ist zwar nach dem Streckenprofil objektiv nicht ganz richtig, subjektiv vermittelt der Lauf aber tatsächlich dieses Gefühl. Natürlich gibt es an den Brücken und Unterführungen kleine Anstiege, aber alles in allem ist es ein flacher und schneller Kurs – wenn man nicht in der Menge feststeckt.

Nach drei Meilen ist das Feld aller Starts komplett vereint und dann kann es schon eng werden, zumindest in den hinteren Blöcken. Speziell an den Stellen, wo wir Gegenverkehr haben, ist ein ungehindertes Laufen nicht immer möglich. Und bei uns, in der hinteren Hälfte des Feldes, merkt man auch, dass bei vielen der Charity Läufer scheinbar das Training davor nicht so wirklich im Mittelpunkt stand. Bereits ab der Hälfte des Kurses ist die Anzahl der Teilnehmer, die sich aufs Gehen verlegen, so hoch wie ich es noch in keinem der Rennen davor erlebt habe. Ein Phänomen, welches sicher in den ersten Wellen nicht zu finden ist.

bild: runners unlimited
bild: runners unlimited

Dafür ist die Atmosphäre hier aber auch entspannter, fröhlicher. Es geht hier nicht um persönliche Bestzeiten oder verbissene Rekorde, es geht ums Dabeisein und einen Beitrag geleistet zu haben. Auch ist bei uns die Dichte der Verkleideten sicher größer als bei den Drei-Stunden-Läufern vorne. Minions, Dinosaurier, der berühmte Big Ben, der es dann im Ziel nicht durch den niedrigen Zielbogen schaffte (https://www.bbc.com/news/uk-england-london-48084878), Star Wars Stormtrooper, Teddy Bären, Pikatchus, Nashörner – ich ärgere mich, dass ich nicht pausenlos mein Handy bei der Hand habe und fotografiere.

Zudem werden eigenartige Rekorde für das Guinness Book of Records versucht und erfolgreich absolviert – zum Beispiel den Schnellsten Marathon Verkleidet als Zelt (Männlich) in 3:57:05! Ein vollständige Liste gibt es hier.

 

Und ja, Kipchoge läuft auch - als Kenianer verkleidet und weiter vorne. Er läuft ausnahmsweise keinen Weltrekord. Mo Farah läuft auch. Er ist als Sir verkleidet - ganz in rot mit grünem Schuh. Leider begegnen wir uns nicht im Gegenverkehr! Als wir zu km 21 kommen, sind die beiden Herren schon im Ziel und haben ihr erstes Bier gekippt.

Erstes Sightseeing Highlight an der Strecke ist die Cutty Sark, ein Segelschiff welches jetzt als Museum dient, bei Kilometer 11. Dieses wird umrundet (an Land natürlich) und ist auch bei Zuschauern sehr beliebt. Die Lautstärke ist dementsprechend.

 

Der Höhepunkt des Kurses ist aber sicher die Überquerung der Tower Bridge, knapp vor der Hälfte des Kurses. Nicht nur ist die Aussicht auf den Tower und das Stadtzentrum spektakulär, auch ist hier die Dichte der Zuschauer und damit der Lärm der Anfeuerung besonders groß. 

Danach macht der Kurs einen Schwenker nach Osten in Richtung der Docks und Canary Wharf. Zwischen km 21 und 23 kommen uns auf der anderen Straßenseite bereits die Läufer entgegen, die diesen 16 km langen Ausflug schon hinter sich und das Ziel schon in Schrittweite haben. Für uns ist die Reise in die Docklands sicher der am wenigsten attraktive Teil des Kurses. Manchmal eng, verwinkelt, man läuft vom Ziel weg statt umgekehrt und die Anzahl der Geher wird immer mehr. Nicht gerade besonders motivierend.


In diesem Teil der Strecke, speziell Canary Wharf, ist dann auch das GPS der Laufuhr komplett aus dem Ruder. Man sieht das sehr schön am Streckenverlauf auf Garmin Connect, der ist in Canary Wharf abenteuerlich daneben! Will man hier auf Kilometerzeit genau laufen, sollte man diese händisch abstoppen. Ich bin im Ziel, laut Uhr, 43,2km gelaufen - um einen Kilometer zu viel. 

 

Zeit, sich Gedanken zu der Geschichte mit den Wasserflaschen zu machen. Ein Versuch, der Flut an Bechern Herr zu werden, ist hier die Wasserflasche. So wie auch in Athen sind diese mit 380ml befüllt. An und für sich eine gute Idee, nur sind die Flaschen viel zu groß, um in einem Zug ausgetrunken zu werden. Man müsste sie eigentlich mitnehmen und während des Laufens immer wieder trinken. Ich mache das und trage die Flasche in der Hand (ein Gurt zum Einstecken wäre super). Bei der nächsten Labstelle werfe ich sie dann in einen Container und hole mir eine neue. Aber die meisten Läufer machen das nicht. Die meisten trinken 2-3 Schluck und werfen die halb-vollen Flaschen erst recht wieder auf die Straße. Sammelbehälter gibt es, aber zu wenige, zu klein und meist auch zu früh nach der Labstelle. Das führt dazu, dass erst recht wieder Plastikflaschen auf den Straßen liegen und eingesammelt werden müssen. Zudem, wenn man auf einen Becher steigt, dann passiert nicht viel. Wenn man im Lauf auf eine halb gefüllte Plastikflasche steigt ……

Aber auch diese Schleife hat irgendwann einmal ihr Ende. Bei km 35 erreichen wir wieder den Gegenverkehrsbereich und können nur staunen, wie viele Läufer (und Geher) uns immer noch entgegenkommen. Der Besenwagen ist jedoch nicht mehr weit. Knapp bevor wir wieder auf Höhe der Tower Bridge kommen, begegnet er uns. Wir aber können das Ziel schon riechen.

Noch 5 km durch die City of London, die Themse entlang mit ihren Prachtbauten, London Eye am gegenüberliegenden Flussufer, beim eingerüsteten Big Ben nach rechts, vorbei an der Westminster Abbey, entlang des St. James’s Park zum Buckingham Palace, an dessen Front vorbei mit dem Wissen, dass die Queen sicher aus einem der Fenster zuschaut und Prince Charles ihr gerade den Tee bringt, am Victoria Memorial hinein in The Mall, beflaggt mit Union Jacks und dem Ziel in nur mehr 200m Entfernung. Das ist schon sehr beeindruckend und ergreifend. Ein Zieleinlauf vor dem Buckingham Palace – einfach unvergesslich!

Ja und das ist es dann plötzlich. Damit ist tatsächlich nicht nur der London Marathon geschafft. Damit sind tausende Trainingskilometer und hunderte Trainingsstunden für die Big Six plötzlich an ihr Ziel gekommen. Zu schnell geht das, man möchte die Zeit anhalten, einfrieren, konservieren. Die Medaille des London Marathons um den Hals, sieht man den Stand von Abbott, wo schon freundliche Helfer warten. Sie erkennen dich, gratulieren dir, führen dich in ihr Zelt und du bekommst sie um den Hals, die Six Star Finisher Medaille. Das Ding, auf das du jetzt einige Jahre deines Lebens hingearbeitet hast, immer in der Hoffnung, dass nichts schief geht, du dich nicht verletzt, nicht krankt wirst, welche Katastrophen auch immer du dir ausgemalt hast. So schnell ist sie jetzt plötzlich vergangen, die Zeit.

Natürlich ist es nur ein Stück Blech, dem man da nachläuft. Materialwert wahrscheinlich 10 Euro. Natürlich ist es ein perfektes Marketing, dem man da auf den Leim geht. Aber es ist doch ein persönlicher Triumph. Man erreicht etwas, was nicht viele erreichen. Man hat sich ein Ziel gesetzt und dieses konsequent verfolgt. Disziplin, Zielstrebigkeit, Ausdauer, Hingabe und einiges mehr waren notwendig, dieses Ziel zu erreichen. Hätte mir jemand noch vor sechs Jahren diesen Moment angekündigt, hätte ich ihn ausgelacht. Nie hätte ich damals geglaubt, dass ich je einen Marathon laufen werde. Heute ist es der zehnte, den ich ins Ziel gebracht habe.

Und bevor ich wieder so richtig denken kann, sind wir bei der Ausgabe der Finisher Pakete (mit den Shirts), holen wir unsere Kleidersäcke und sind wieder auf dem Weg ins Hotel.

In den Gesprächen, sowohl beim gemeinsamen Abendessen der Gruppe als auch bei der Heimreise, ist es eine Frage, die immer wieder gestellt wird – was kommt als nächstes? Gute Frage, noch weiß ich es nicht. Aber es gibt schon noch einige Marathons, die ganz oben auf meiner Liste stehen. Vielleicht will meine Frau ja auch noch ihre Big Six vollenden? Sie erklärt mir zwar nach jedem Marathon, es wäre ihr letzter gewesen – aber auf diese Weise hat sie es auch schon auf 3 Majors gebracht. Also, wer weiß? 

 

Für meine Frau war das der vierte Marathon. Für mich war es der zehnte, der letzte der Big Six

 

Mein Lauf ist auf Garmin Connect einsehbar.

 

Alles Liebe, ich lauf schon mal voraus!

Herbert

 

bild: runners unlimited
bild: runners unlimited