Berlin Marathon 2016

25.9.2016

Factbox (Stand September 2016)

Homepage https://www.bmw-berlin-marathon.com/
Erste Austragung 1974
Teilnehmer 36.000 380 Finisher aus Österreich (2016)
Termin Mitte/Ende September
Qualifikation Zeitlimit, Lotterie Einzelläufer oder Team, Charity, Reiseveranstalter
Anmeldezeitraum Oktober
Chancen bei Lotterie realistisch, bei Teamanmeldung angeblich besser
Kontingent Reiseveranstalter groß (Stand 2015)
Kurs Rundkurs, größtenteils flach aber mit einer ernstzunehmenden Steigung zwischen km 21 und 28
Zeitnehmung ChampionChip, wenn ein eigener Chip vorhanden, dann ist dieser zur Startnummernausgabe mitzubringen
Marathon Expo geöffnet Donnerstag bis Samstag, groß aber eng, von den Sportartikelherstellern sind neben dem Hauptsponsor (adidas) nur wenige andere vertreten
Start Startzeit 9:15, 3 Wellen, Blöcke A-H , die Wellen starten in kurzem Abstand voneinander, der letzte Starter benötigt ca. 15 min vom Start der Welle bis er die Startlinie passiert, Startgelände öffnet 6:30, großzügiges Startgelände aber enger und daher langer Weg zu den Startblöcken, keine Zelte, wenige Umkleiden
Ziel beeindruckender Zieleinlauf durch das Brandenburger Tor, relativ kurze Wege zur Kleiderausgabe, das Gelände vor dem Reichsrat eignet sich als Treffpunkt mit Freunden
Zeitlimit 6h15min, das Ziel ist bis 15:45 geöffnet
Verpflegung  Wasser, Iso, Gels, Bananen, Schwämme, Eigenverpflegung möglich
Verpflegungsstationen km 5,9,12,15, danach alle 2,5 km
Toiletten im Startbereich am unteren Limit

Ankommen

Es ist der Samstag vor dem Marathon. Unsere sehr große Gruppe von runners unlimited steht an der Spree, um in das Ausflugsboot zur Spreerundfahrt einzusteigen. Der Schiffsoffizier an der Gangway fragt uns, was der ganze Rummel da eigentlich soll? Ob denn der Berlin Marathon so was besonderes sei, dass deshalb so viele Leute hierher kämen?

 

In New York, Chicago oder Boston käme kein Einheimischer je auf die Idee, überhaupt so eine Frage zu stellen. Dort ist der Marathon in den Genen der Stadt fest verankert und Teil des Selbstverständnisses der Bewohner.

 

Aber Berlin ist anders, deshalb aber nicht weniger sympathisch. Der gewisse schnoddrige, distanzierte aber auch humorvolle Blick auf sich selbst ist etwas, was wiederum andere nicht können.

 

Und wahrscheinlich meint er es ja auch gar nicht so. Wahrscheinlich ist er sehr stolz drauf, er will es nur nicht so platt zeigen.

copyright: Andy Perer, runners unlimited
copyright: Andy Perer, runners unlimited

Dabei ist ja der Berlin Marathon für uns Mitteleuropäer der World Marathon Major gleich um die Ecke, sozusagen im Vorgarten unserer Freunde. Die Anreise nach Berlin ist relativ stressfrei, wenn nicht gerade eine Fluglinie bankrottgeht, und selbst einen Startplatz zu ergattern ist realistisch möglich. Entweder man ist sowieso sauschnell, oder man schafft es über die Lotterie mit halbwegs vernünftigen Chancen. Ich habe mir sagen lassen, bei einer Anmeldung als Team sind die Chancen noch höher. Sollte das alles trotzdem scheitern, dann gibt es immer noch den Weg über eine Charity oder eben mit einem Reiseveranstalter. Ich habe meinen Startplatz über die Lotterie erhalten, bin aber dann trotzdem mit

runners unlimited angereist – in der Gruppe mit Gleichgesinnten ist es eben doch lustiger und sorgenfreier. Auch gibt es dann im Ziel ein Spezialevent, mehr dazu später!



Berlin

copyright: Ägyptisches Museum, Berlin
copyright: Ägyptisches Museum, Berlin

Berlin ist aber auch ohne Marathon eine Reise wert. Eine aufregende, lebendige und moderne Stadt, die aber auch weiß, wie sie mit ihrer Geschichte umgehen muss. Sei es jetzt das Denkmal für die ermordeten Juden Europas oder die Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauerstrasse - alles Orte die mit viel Gefühl für das, was heute notwendig ist, zeigen, was einmal alles möglich war. 

 

Der Berliner Mauer begegnet man in der ganzen Stadt - wenn man aufmerksam ist. In den Boden eingelassen finden sich Pflastersteine, die den damaligen Verlauf der Mauer zeigen. Und wenn man dann am Brandenburger Tor steht, erkennt man plötzlich, dass man vor gar nicht so langer Zeit an eben diesem Platz noch in der DDR gestanden wäre, sozusagen unmittelbar hinter der Mauer, in der durch Wachtürme abgesicherten Todeszone.

 

Und dann natürlich gibt es in Berlin die schönste Frau der Welt zu bestaunen – Nofretete! Leider ist sie ja schon vor geraumer Zeit gestorben (1338 v. Chr.), ihre Büste aber findet man im Ägyptischen Museum auf der Museumsinsel.

Die Faszination, die von ihr ausgeht ist, schwer zu beschreiben. Man bleibt verwundert stehen, ist gebannt, umrundet sie, verlässt den Raum, um sofort wieder zurück zu kommen, als könnten man kaum glauben, was man sieht. Es herrscht absolutes Fotoverbot, daher kann ich nur mit abfotografierten Ansichtskarten dienen. Ich kann nur empfehlen – selber ein Bild machen!

 

Ein Besuch eignet sich hervorragend als Spaziergang zum Auslockern, am Tag nach dem Marathon. Und um danach wieder in die Realität zurück zu finden, kombiniert man den Ausflug am besten mit einer original Berliner Curry Wurst. Entweder bei Konnopke in der Schönhauser Allee, oder bei Curry 36 beim Bahnhof Zoo. Eben dort, wo auch die eingefleischten Berliner um eine hingehen.



Marathon Messe

Wie schon gesagt, ich bin wieder mit Andy Perer und seinem Team von runners unlimited unterwegs. Zum zweiten Mal, nach New York. Ähnlich wie in New York ist die Gruppe wieder sehr groß, es dürften mehr als 100 Läufer und Begleiter sein. Alleine fühlt man sich daher sicher nicht und die Betreuung ist perfekt.

Den Freitag nutzen wir gleich zur Abholung der Startunterlagen und den obligatorischen Besuch der Marathon Messe. Die Ausgabe der Startunterlagen ist perfekt organisiert und geht sehr schnell. Man sollte natürlich nicht seinen Personalausweis vergessen und den eigenen Champion Chip, falls man den benutzen will. Dieser wird nämlich bei der Nummernausgabe nochmals gescannt und registriert! Für die Zugangskontrolle in den Startbereich des Marathons erhält man zudem ein Identifikationsband aus Stoff, das sollte man tunlichst erst nach dem Rennen wieder entfernen. Ohne dem endet der Marathon schon bevor er beginnt.

 

Die Marathon Messe - heuer leider nicht, wie sonst üblich, am Gelände von Berlin-Tempelhof - hinterlässt bei mir einen sehr engen  Eindruck. Die Hallen sind dicht bepackt mit Ständen, der größte gehört natürlich den Hauptsponsoren Adidas und BMW. Nach einer Runde durchs Gewühl, bei der ich mir auch mein vorbestelltes Finisher Shirt abhole, verlasse ich die Messe fluchtartig wieder.

Der Berlin Marathon hat den Ruf, flach und schnell zu sein. Schnell ist er sicher, immerhin wurde der aktuell gültige Weltrekord 2014 in Berlin gelaufen, so wie auch alle anderen fünf offiziellen IAAF Weltrekorde davor. Das er flach ist, kann ich nicht bestätigen. Ein Blick auf das Streckenprofil zeigt eine Steigung zwischen den Kilometern 21 und 28, also von Schöneberg bis zum Platz am Wilden Eber. Es ist zwar kein Hochgebirgspass, aber zumindest ich als Hobbyläufer werde es spüren. Der Kurs selber ist ein wunderschöner, wenn auch etwas eckiger, Rundkurs. Start und Ziel sind in der Straße des 17. Juni, mit Zieleinlauf durch das Brandenburger Tor.



Der Marathon

Rennsonntag - der Start des Marathons ist um 9:15, um 7 Uhr machen wir uns mit dem Bus auf den Weg zum Startgelände. Auch ein Vorteil derartiger Gruppenreisen, der Bus wartet vor dem Hotel und bringt uns so weit als eben möglich in die Nähe des Starts.

 

Das Wetter verspricht strahlenden Sonnenschein und Temperaturen über 20 Grad, wir werden also ordentlich schwitzen. Am Morgen ist es jedoch noch kühl. Das Startgelände befindet sich direkt vor dem Reichstag, am weitläufigen Gelände des Platzes der Republik. Genug Raum, um sich noch etwas in der Morgensonne aufzulockern und vorzubereiten. Aber auch genug Raum, um lange Wege zu den Kleiderabgaben und den verschiedenen Verpflegungsstellen zu haben. 

Allzu viel Zeit sollte man sich daher nicht lassen. Zum Einen ist die Anzahl an Toiletten nicht gerade überwältigend, man sollte daher Wartezeiten einplanen, zum Andern aber sind die Wege vom Athletes Village zu den Startblöcken sehr lang und überfüllt. Kein Wunder, es gilt ja auch nahezu 40.000 Läufer an ihren richtigen Platz zu lotsen. Und es darf jeder nur in seinen zugeordneten Startblock, oder in einen dahinter liegenden.  Vorschummeln ist nicht möglich, die Wege und Zugänge sind mit hohen Gittern abgesperrt und die Ordner kontrollieren genau den Zugang zum Startblock. Nicht umsonst heißt die Gegend dort Tiergarten! Es lohnt sich daher, den Beschilderungen genau zu folgen. Ein Umdrehen ist in der Menge nahezu unmöglich.

Aber irgendwann steht man dann in seinem Startblock. Es gibt übrigens auch noch seitlich der Startblöcke Toiletten, kein Grund daher zur Panik.

Das besondere an Berlin ist - alle stehen gleichzeitig am Start in der Straße des 17. Juni.

40.000 Menschen um dich herum, vor dir und hinter dir ein Meer von Läufern, die alle gleichzeitig auf den Start warten und vom Startsprecher entsprechend motiviert werden. Keine räumlich getrennten Wellen, die sich nie zu Gesicht bekommen, alle auf einmal.

Natürlich gibt es Startwellen, diese werden aber wirklich nur in kurzen Pausen voneinander in das Rennen geschickt. Sobald daher der Startschuss für die Elite gefallen ist, bewegt man sich kontinuierlich langsam nach vor in Richtung Start.

Ich bin Block F, also mehr oder weniger in der Mitte der Menge. Ich brauche 13 Minuten, bis ich die Startlinie überquere und es für mich los geht!

Anfangs hält sich der Ansturm an Fans entlang der Strecke noch in Grenzen, das bleibt auch so, gefühlt bis zu km 15. Dann wird es aber richtig laut und der Rummel beginnt. Vielleicht liegt das auch daran, dass man in der ersten Hälfte eher weniger in Wohngegenden läuft (Regierungsviertel, Bahnhof) oder in der ruhigeren, gesetzteren Nachbarschaften. Aber sobald man nach Neukölln, Kreuzberg (da, wo die Nächte so lang sind) oder Schöneberg kommt, gibt es Party.

Eine WG dürfte ihre Mamutboxen auf den Balkon geschleppt haben und beschallt ohrenbetäubend die Gegend mit Techno. Trotzdem, nachdem ich NYC, ein Jahr zurück, immer noch lebhaft in Erinnerung

habe, kann ich nicht umhin, immer wieder die beiden Läufe zu vergleichen. Und da schlägt NYC Berlin meiner Meinung nach immer noch, zumindest was die Stimmung betrifft.

 

Gleich zu Beginn passiert man beidseitig die Siegessäule, ein beeindruckendes Bild, nicht nur in der Fernsehübertragung sondern auch für uns Läufer. Aber so imposant der mehr oder weniger gleichzeitige Start der 40.000 auch ist, er hat doch in Berlin einen Nachteil. Die Straßen, am Anfang noch breite Boulevards, werden rasch enger und damit

dauert es sehr lange, bis sich das Feld lockert. Auf den ersten Kilometern ist es bald sehr eng und das geht so bis zur Hälfte. Kombiniert mit den vielen Kurven ist der Kurs daher etwas unrhythmisch, in meiner Leistungsklasse ist das aber natürlich vollkommen belanglos und den Profis wird es egal sein.

copyright: Andy Perer, runners unlimited
copyright: Andy Perer, runners unlimited

Natürlich laufe ich zu schnell weg! Mein Ziel wäre es, die 3h45 zu schlagen. Wo, wenn nicht in Berlin, sage ich mir. Da bin ich natürlich mit meinen 5:10/km auf den ersten 21 km viel zu schnell! Und in der zweiten Hälfte bereue ich das.

Sie ist tatsächlich merkbar, die Steigung hinauf zum Wilden Eber. Ich spüre sie zumindest deutlich - und die Hitze. Das Thermometer liegt jetzt schon bei über 20 Grad. Etwas kühler hätte ich es mir schon gewünscht. Die erste Verpflegungsstelle gibt es bei km 5. Ab km 15 sind sie ca. jede 2,5 km, wobei es bei jeder zweiten nur Wasser gibt. Das ist normalerweise ausreichend, bei dieser Hitze jedoch mehr als notwendig.

Bei km 23 wartet Andy Perer mit seiner runners unlimited Fangruppe auf uns Läufer, das freut und motiviert, einen Boost für das Tempo bringt es mir aber leider nicht. In der zweiten Hälfte sinkt mein Schnitt kontinuierlich!

Am Kurfürstendamm geht es etwas besser, da gibt es viele Bäume die Schatten spenden. Die letzten Kilometer vom Potsdamer Platz über die Leipzigerstraße ziehen sich aber gewaltig und wollen kein Ende nehmen.

Auch psychologisch eine Herausforderung – am Potsdamer Platz (km 38) bräuchte man nur mehr links abbiegen und wäre nach einem Kilometer im Ziel, man hört den Ziellautsprecher schon, man läuft aber wieder von ihm weg, um erst nach weiteren vier Kilometern wieder in seine Nähe zu kommen.

 

Endlich die letzte Linkskurve des Kurses, Unter den Linden, das Brandenburger Tor ist groß im Blick, die letzten Reserven werden mobilisiert. Das Tor ist das Ziel – glaubt man, fühlt man, hofft man, redet man sich ein - trotz Studium des Streckenverlaufes. Aber: Erstens ist es anders und zweitens als man denkt – es fehlen danach noch 400 Meter ins Ziel! Die wohl längsten 400 Meter, die man sich vorstellen kann!

Mit 3:46:28 bin ich im Ziel. Nicht ganz, was ich mir erhofft hatte, aber trotzdem überglücklich. Was solls, zu jedem Plan A gibt es immer auch einen Plan B und C. Für mich ist wichtig – gesund und glücklich ins Ziel zu kommen!

 

Und das Ziel bietet für uns Österreicher von runners unlimited in Berlin eine besondere Attraktion. Andy und sein Team waren am Tag zuvor heimlich einkaufen – Bier! Keine Ahnung, wie sie das dann gekühlt auf die Wiese vor den Reichstag gekarrt haben, aber es wartet auf uns! 


Eine private Finisher Party - das gibt es nur in Berlin!

Berlin war mein fünfter Marathon, der zweite der Abbott World Marathon Majors.

Mein Lauf ist auf Garmin Connect einsehbar.

Hier noch weitere Fotos.

 

Alles Liebe, ich lauf schon mal voraus!

Herbert